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tobte und das Schiff wie einen Spielball haushoch hinauf- und
hinabschleuderte, kam oben das Takelwerk am Hauptmast in
Unordnung, und der Schaden mußte zurechtgebracht werden. Doch
in dem Tumult des Sturmwindes auf den Mast zu klettern,
schien fast unmöglich; es war ein Wagestück auf Leben und Tod.
Der Steuermann befahl kurzweg einem Schiffsjungen, er solle
hinauf. Der war ein junger, zarter Bursche, kaum dreizehn Jahre
alt, das einzige Kind einer armen Witwe, welche ihr Liebstes hatte
in die Welt gehen lassen, weil sie selber kaum satt zu essen hatte.
Als der Junge den Befehl vom Steuermann empfangen,
hob er seine Mütze aus, blickte hinauf nach der Spitze des Mastes
und wieder hinab in die schäumenden Wellen, die wie mit Ruten
gepeitscht übers Verdeck schlugen und nach ihm die Wasserarme
ausstreckten; und dann sah er den Steuermann an. Er schwieg
einen Augenblick; darauf sagte er: „Ich komme gleich!" — Und
er sprang übers Verdeck fort in die Kajüte. Eine Minute ver-
ging, dann kehrte er zurück, und nun ging's die Strickleiter hinauf,
flink und entschlossen.
Der Mann, welcher diese Geschichte erzählt hat, stand unten
am Maste, und seine Blicke folgten dem Kinde, bis ihm schwindelte.
Er fragte den Steuermann: „Warum schickst du den hinauf?
Er kommt nicht lebendig herunter!" — Der Steuermann ant-
wortete: „Männer fallen, Jungen stehen. Der klettert wie 'ne
Eichkatze!"
Der andere sah wieder hinauf; noch stand der Junge! Jetzt
hing er am Mastkorbe; jetzt stieg er weiter. Der Sturm raste
und tauchte den Mast in die Flut ein; der Junge hielt sich. —
In einer Viertelstunde war er unten, wohlbehalten und frisch,
und lachte fröhlich. — „Gott sei gedankt!" ries jener; vor Angst
hatte das Herz ihm stille gestanden.
Denselben Tag noch suchte er den Jungen zu sprechen. Er-
fragte ihn, ob ihm nicht bange geworden sei. „Ja," sagte der
Junge. — „Ich merkte es wohl", sagte der andere; „du hast es
dir auch erst in der Kajüte bedacht." — „Bedacht nicht," sprach
jener; „ich wollte erst beten. Ich dachte, herunter komme ich
nicht wieder lebendig; da habe ich beten gemußt. Hernach war
ich nicht bange." — Der Mann fragte ihn, wo er das Beten
gelernt habe. — „Wie ich noch zuhause war," sagte der Junge;
„die Mutter hat es mich gelehrt. Als ich fortging, sagte sie, ich
solle es immer thun, damit Gott mich vor Gefahren bewahre,
und ich kann es auch nicht lassen." gl. Bl.». d. r. H.
113. Der Dieb.
In einem Städtchen war Jahrmarkt; deshalb waren alle
Leute aus dem benachbarten Dorfe dorthin gezogen, um einzu-
4*
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer]]
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TM Hauptwörter (200): [T2: [Schiff Stadt Tag Nacht Sturm Feind Ufer Meer Land Feuer], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T42: [Vogel Nest Junge Eier Schnabel Storch Taube Flügel Fuchs Frosch], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau]]
Auf den Asten der Bäume und in den Hecken umher nisteten
und sangen allerlei muntere Vögel. Die Eltern ermahnten ihre
Kinder öfter und sagten: „Thut doch diesen Vögeln nichts zu-
leide und rührt ihre Nester nicht an; denn das würde dem lieben
Gott, der die Blumen kleidet und die Vögel nährt, sehr mißfallen.
Auch uns zuliebe gab Gott den Blumen die schönen Farben
und die erquickenden Wohlgerüche und den Vögeln den lieblichen
Allein einige böse Buben fingen an, die Nester auszunehmen
und zu zerstören. Die Vögel wurden dadurch verscheucht und
zogen nach und nach ganz aus der Gegend hinweg. Man hörte
in den Gärten und auf der Flur kein Vöglein mehr singen.
Alles war ganz still und traurig.
Die Bosheit der Buben hatte aber noch eine andere traurige
Folge. Die schädlichen Raupen, die sonst von den Vögeln hin-
weggefangen wurden, nahmen überhand und fraßen Blätter und
Blüten ab. Die Bäume standen kahl da wie mitten im Winter,
und die bösen Buben, die sonst köstliches Obst im Überfiusse zu
verzehren hatten, bekamen nicht einen Apfel mehr zu essen.
Nimmst du den Vöglein Nest und Ei,
ist's mit Gesang und Obst vorbei.
Laß doch in Ruhe, liebes Kind,
die Tierchen, die unschädlich sind. «. Schmid.
56. Wiesenblumen.
Viel tausend Blumen stehen
im Sonnenglanze liier;
kann ich nicht alle sehen,
wünsch’ aber alle mir.
Hätt' ich doch tausend Augen
und Hände ohne Zahl!
Könnt’ sie wohl alle brauchen;
die Wiese pflückt’ ich kahl.
Möcht’ alle Blumen bringen
den lieben Eltern mein,
zu ihnen lustig springen
mit hundert Sträusselein!
Jed’ Blümlein freundlich
nicket,
als wollt's mit mir nachhaus;
ich habe schon gepflücket
den allerschönsten Strauis.
Carl Enslin.
57. Das Gewitter.
Franz, ein Knabe aus der Stadt, hatte im Walde Himbeeren
gepflückt. Als er wieder nach Hause gehen wollte, erhob sich ein
Sturmwind; es fing an zu regnen, zu blitzen und zu donnern.
Franz fürchtete sich sehr und verkroch sich in eine hohle Eiche
unweit des Weges; denn er wußte nicht, daß der Blitz gern in
hohe Bäume schlägt.
Auf einmal hörte er eine Stimme, welche rief: „Franz!
Franz! komm, o komm doch geschwind hervor!" Franz kroch aus
TM Hauptwörter (50): [T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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Extrahierte Personennamen: Schmid Carl_Enslin Franz Franz Franz Franz Franz Franz Franz
25
kamen sogleich mit Äxten und Prügeln in Scharen aus dem
nahen Dorfe gelaufen und wollten den Wolf tot schlagen. Da
sie jedoch nichts von einem Wolfe sahen, gingen sie wieder heim,
und Hans lachte sie heimlich aus.
Am andern Tage schrie Hans wieder: „Der Wolf! der
Wolf!" Die Bauern kamen wieder heraus, wiewohl nicht mehr
so zahlreich als gestern. Da sie aber keine Spur von einem
Wolfe erblickten, schüttelten sie die Köpfe und gingen voll Verdruß
nachhause.
Am dritten Tage kam der Wolf wirklich. Hans schrie ganz
erbärmlich: „Zu Hülfe! zu Hülfe! Der Wolf! der Wolf!" Allein
diesmal kam ihm kein einziger Bauer zu Hülfe. Der Wolf brach
in die Herde ein, erwürgte mehrere Schake, und darunter das
artigste Lämmchen, das dem Knaben selbst gehörte, und das er
ungemein lieb hatte. Chr. v. Schmid.
61. Der Tagelöhner.
ln einem ansehnlichen Hause arbeitete oft ein Tage-
löhner, der überall das Lob eines fleißigen und recht-
schaffenen Mannes hatte. Einst spaltete er in kurzen Winter-
tagen Holz. Als der Abend hereinbrach, gab ihm der
Hausherr seinen Tagelohn, und zwar so viel, als er sonst
an längeren Tagen bekam. Er zählte das Gehl und, sagte:
„Das ist zu viel; so viel habe ich heute nicht verdient.“ Auf
die Antwort, es solle ihm dennoch gegeben werden, nahm er
es mit sich. Einige Tage nachher hörte man am Abend,
da es sehr heller Mondschein war, jemand im Hofe Holz
spalten. Es wird einer hinausgeschickt, um zu sehen, wer
es sei, und siehe, es ist der alte, ehrliche Tagelöhner, der
auf die Frage, warum er jetzt die Arbeit verrichte, zur
Antwort giebt: „Ei, ich habe neulich mehr Tagelohn be-
kommen, als ich verdient hatte; den will ich nun verdienen
Heinrich Bone.
62. Die zwei Sperlinge.
In einem trockenen Mißjahre quälte der Hunger zwei Sper-
linge hart; beide fühlten sich schon dem Verschmachten nahe.
„Sammle noch einmal alle deine Kräfte, lieber Bruder," sprach
der schwächste von ihnen, „flieg umher, und sieh, ob du nicht
irgendwo eine Nahrung entdeckst! Ich flöge gern mit, aber ich
kann nicht mehr. Findest du Speise, so bringe auch mir etwas
davon! Aber nur bald, denn sonst hat der Hunger mich um-
gebracht!" — Der stärkere versprach es und flog aus. Das Glück
war ihm günstig, er sah einen Kirschbaum voll reifer Früchte.
„O," rief er, „geborgen ist nun mein Freund und ich!" Er flog
i
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Hans Hans Hans Schmid Heinrich_Bone Heinrich
84
machte sich auf den Weg nach Bremen; dort, meinte er, könnte
er ja Stadtmusikant werden. Als er ein Weilchen fortgegangen
war, fand er einen Jagdhund auf dem Wege liegen, der jappte
wie einer, der sich müde gelaufen hat. „Nun, was jappst du so,
Packan?" fragte der Esel. „Ach/ sagte der Hund, „weil ich alt
bin und jeden Tag schwächer werde und auf der Jagd nicht mehr
fort kann, hat mich mein Herr wollen totschlagen, da hab' ich
reißaus genommen; aber womit soll ich nun mein Brot ver-
dienen?^ „Weißt du was," sprach der Esel, „ich gehe nach Bremen
und werde dort Stadtmusikant; geh mit und laß dich auch bei
der Musik annehmen. Ich spiele die Laute und du schlägst die
Pauken." Der Hund war's zufrieden, und sie gingen weiter.
Es dauerte nicht lange, so faß da eine Katze an dem Wege und
machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. „Nun, was ist
dir in die Quere gekommen, alter Bartputzer?" sprach der Esel.
„Wer kann da lustig sein, wenn's einem au den Kragen geht,"
antwortete die Katze, „weil ich nun zu Jahren komme, meine
Zähne stumpf werden, und ich lieber hinter dem Ofen sitze und
spinne, als nach den Mäusen herumjage, hat mich meine Frau
ersäufen wollen; ich habe mich zwar noch fortgemacht, aber nun
ist guter Rat teuer; wo soll ich hin?" „Geh mit uns nach
Bremen, du verstehst dich doch auf die Nachtmusik, du kannst ein
Stadtmusikant werden." Die Katze hielt das für gut und ging
mit. Darauf kamen die drei Landesflüchtigen an einem Hofe
vorbei, da faß auf dem Thore der Haushahn und schrie aus
Leibeskräften. „Du schreist einem durch Mark und Bein," sprach
der Esel, „was hast du vor?" „Da hab' ich gut Wetter prophe-
zeit," sprach der Hahn; „aber weil morgen zum Sonntag Gäste
kommen, so hat die Hausfrau doch kein Erbarmen und hat der
Köchin gesagt, sie wollte mich morgen in der Suppe essen, und
soll ich mir heute abend den Kopf abschneiden lassen. Nun schreie
ich aus vollem Halse, so lange ich noch kann." „Ei was, du
Rotkopf/ sagte der Esel, „zieh lieber mit uns fort nach Bremen,
etwas Besseres als den Tod findest du überall; du hast eine gute
Stimme, und wenn wir zusammen musizieren, so muß es eine
Art haben." Der Hahn ließ sich den Vorschlag gefallen, und sic
gingen alle vier zusammen fort.
Sie konnten aber die L-tadt Bremen in einem Tage nicht
erreichen und kamen abends in einen Wald, wo sie übernachten
wollten. Der Esel und der Hund legten sich unter einen großen
Baum, die Katze und der Hahn machten sich in die Aste, der
Hahn aber flog^bis in die Spitze, wo es am sichersten für ihn
war. Ehe er einschlief, sah er sich noch einmal nach allen vier
Winden um; da däuchte ihm, er sehe in der Ferne ein Fünkchen
brennen, und rief feinen Gesellen zu, es müßte nicht gar weit
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend]]
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ein Haus sein, denn es scheine ein Licht. Sprach der Esel:. „So
müssen wir uns aufmachen und noch hingehen, denn hier ist
die Herberge schlecht." Der Hund meinte, ein paar Knochen und
etwas Fleisch daran thäten ihm auch gut. . Nun machten sie sich
auf den Weg nach der Gegend, wo das Licht war, und sahen es
bald heller schimmern, und es ward immer größer, bis sie vor
ein hell erleuchtetes Räuberhaus kamen. Der Esel, als der größte,
näherte sich dem Fenster und schaute hinein. „Was siehst du,
Grauschimmel?" fragte der Hahn. „Was ich sehe?" antwortete
der Esel, „einen gedeckten Tisch mit schönem Essen und Trinken,
und Räuber sitzen daran und lassen's sich wohl sein." „Das
wäre was für uns," sprach der Hahn. „Ja, ja, ach wären wir
da!" sagte der Esel. Da ratschlagten die Tiere, wie sie es an-
fangen müßten, um die Räuber hinaus zu jagen, und fanden
endlich ein Mittel. Der Esel mußte sich mit den Vorderfüßen
auf das Fenster stellen, der Hund auf des Esels Rücken springen,
die Katze auf den Hund klettern, und endlich flog der Hahn hinauf
und setzte sich der Katze auf den Kopf. Wie das geschehen war,
singen sie auf ein Zeichen insgesamt an, ihre Musik zu machen;
der Esel schrie, der Hund bellte, die Katze miaute, und der Hahn
krähte; dann stürzten sie durch das Fenster in die Stube hinein,
daß die Scheiben klirrend niederfielen. Die Räuber fuhren bei
dem entsetzlichen Geschrei in die Höhe, meinten nicht anders, als
ein Gespenst käme herein, und stehen in größter Furcht in den
Wald hinaus. Nun setzten sich die vier Gesellen an den Tisch,
nahmen mit dem vorlieb, was übrig geblieben war, und aßen,
als wenn sie vier Wochen hungern sollten.
Wie die vier Spielleute fertig waren, löschten sie das Lichk
aus und suchten sich eine Schlasstätte, jeder nach seiner Natur
und Bequemlichkeit. Der Esel legte sich auf den Mist, der Hund
hinter die Thür, die Katze auf den Herd in die warme Asche,
und der Hahn setzte sich auf den Hahnenbalken, und weil sie
müde waren von ihrem langen Wege, schliefen sie auch bald ein.
Als Mitternacht vorbei war, und die Räuber von weitem sahen,
daß kein Licht mehr im Hause brannte, auch alles ruhig schien,
iprach der Hauptmann: „Wir hätten uns doch nicht sollen ins
Bockshorn jagen lassen," und hieß einen hingehen und das Haus
untersuchen.. Der Abgeschickte fand alles still, ging in die Küche,
wollte ein Licht anzünden, und weil er die glühenden, feurigen
Augen der Katze für lebendige Kohlen ansah, hielt er ein Schwe-
felhölzchen daran, daß es Feuer fangen sollte. Aber die Katze
verstand keinen Spaß, sprang ihm ins Gesicht, spie und kratzte.
Da erschrak er gewaltig, lief und wollte zur Hausthür hinaus,
aber der Hund, der da lag, sprang auf und biß ihn ins Bein;
und als er über den Hof an dem Miste vorbeirannte, gab ihm
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
30
72. Der gerettete Prinz.
Ein junger Prinz sagte öfter: „Wozu hat doch wohl Gott
die Fliegen und Spinnen erschaffen! Dergleichen Ungeziefer nützt
ja keinem Menschen etwas. Wenn ich nur könnte, ich vertilgte
alle von der Erde."
Einst mußte der Prinz sich im Kriege vor dem Feinde
flüchten. Ermüdet legte er sich am Abend im Walde unter einem
Baume nieder und entschlief. Ein feindlicher Soldet fand ihn
und. war imbegriffe, ihn mit gezücktem Schwerte zu töten.
Allein plötzlich kam eine Fliege, setzte sich dem Prinzen auf die
Wange und stach ihn so heftig, daß er erwachte. Er sprang auf,
zog sein Schwert, und der Soldat entfloh.
Der Prinz verbarg sich nun in einer Höhle des Waldes.
Eine Spinne spannte in der Nacht ihr Netz vor dem Eingänge
der Höhle aus. Am Morgen kamen zwei feindliche Soldaten,
die ihn suchten, vor die Höhle. Der Prinz hörte sie mit einander
reden. „Sieh," rief der eine, „da hinein wird er sich versteckt
haben!" „Nein," sagte der andere, „da drinnen kann er nicht
sein; denn beim Hineingehen hätte er ja das Spinngewebe zer-
reißen müssen."
Als die Soldaten fort waren, rief der Prinz gerührt und
mit aufgehobenen Händen: „O Gott, wie danke ich dir! Gestern
hast du mir durch eine Fließe und heute durch eine Spinne das
Leben gerettet. Wie gut ist alles, was du gemacht hast!"
Christoph v. Schmid.
73. Die kluge Versammlung.
Einst waren die Mäuse in grosser Not, denn die Katze
fing und tötete alle, welche sich sehen liessen. Als nun die
Katze eines Tages ausgegangen war, hielten sie eine Ver-
sammlung und berieten, wie sie dem Übel Einhalt thun
möchten. Aber da, war guter Rat teuer; die erfahrensten
Mäuse bedachten sich vergeblich. Endlich setzte sich ein
junges Mäuschen auf die Ilinterfüfsehen und sagte: „Ich
weiss, wie wir es machen. Wir hängen der Katze eine Schelle
um’, dann können wir sie schon von weitem kommen hören
und schnell in unsere Löcher fliehen.“ Alle Mäuse riefen:
„Das ist ein guter Vorschlag, das wollen wir thun“ und
blickten fröhlich umher. Die Freude war aber von kurzer
Dauer, denn eine alte Maus erhob sich und sprach: „Ja,
wer wird aber der Katze die Schelle umhängen f“ Da riefen
alle Mäuse: „Ich nicht! Ich auch nicht!“ Und weil kein
Mäuschen verwegen genug war, so blieb es beim alten, und
die Katze geht heute noch ohne Schelle. Nach Aesop.
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97
Ritze der Mauer herausfliegen und bald wieder mit Futter hinein-
fliegen sah. „Aha!" dachte er, „da ist ein Vogelnest, dahin muß
ich einmal klettern und nachsehen, was in dem Neste ist." Und
sogleich kletterte er an der Mauer hinauf und kam bis an die
Ritze, worin das Nestcheu stand, und da hörte er die Jungen
zwitschern und sah sie die Schnäbel aufsperren, weil sie meinten,
ihre Mutter käme. Der böse Peter aber wollte sie aus dem Neste
herausreißen und wollte mit ihnen sein Spiel treiben, bis sie
tot wären. Es ging aber nicht so, wie er dachte.
Das Loch, wo die Vögelchen ein- und ausflogen, war so
enge, daß er seine Hand nicht leicht hindurchstecken konnte. Nun
drückte er zwar so lange, bis er die Hand hindurchgezwängt hatte;
als er sie aber drinnen und die armen Vögelchen gefaßt hatte,
konnte er die Hand nicht wieder herausziehen. Er mochte ziehen
und zerren, wie er wollte, es half ihm nichts, die Hand stak fest.
Zuletzt that es ihm wehe und er fürchtete, die Hand werde gar
nicht wieder herausgehen. Da sing er erbärmlich an zu schreien,
so daß die Leute herbeigelaufen kamen. Die halfen ihm zwar
endlich nach vieler Mühe aus dem Loche heraus, aber sie schalten
ihn auch, daß er die armen Rotschwänzchen habe stören und
quälen wollen, und sagten es seinem Vater. Der strafte ihn hart.
Wilhelm Curtman.
179. Oer kluge Richter.
Ein reicher Mann hatte eine beträchtliche Geldsumme,
welche in ein Tuch eingenäht war, aus Unvorsichtigkeit ver-
loren. Er machte daher seinen Verlust bekannt und bot,
wie man zu thun pflegt, dem ehrlichen Finder eine Be-
lohnung, und zwar von hundert Mark, an. Da kam bald
ein guter und ehrlicher Mann daher gegangen. „Dein Geld
habe ich gefunden. Dies wird’s wohl sein! So nimm dein
Eigentum zurück!“ So sprach er mit dem heitern Blick
eines ehrlichen Mannes und eines guten Gewissens, und das
war schön. Der andere machte auch ein fröhliches Gesicht,
aber nur, weil er sein verloren geschätztes Geld wieder
hatte. Denn wie es um seine Ehrlichkeit aussah, das wird
sich bald zeigen. Er zählte das Geld und dachte unter-
dessen geschwinde nach, wie er den treuen Finder um seine
versprochene Belohnung bringen könnte. „Guter Freund,“
sprach er hierauf, „es waren eigentlich 800 Mark in dem
Tuche eingenäht. Ich finde aber nur noch 700 Mark; Ihr
werdet also wohl eine Naht aufgetrennt und Eure 100 Mark
Belohnung schon herausgenommen haben. Da habt Un-
wohl daran gethan. Ich danke Euch.“
Lesebuch für katholische Volksschulen. 7
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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106
nahm er einen Stock von der Schalter und blies hinein; da flog
mir etwas ins Gesicht, das kitzelte mich ganz entsetzlich. Darnach
blies er noch einmal in den Stock; da flog mir's um die Nase
wie Blitz und Hagelwetter; und wie ich ganz nahe war, da zog
er eine blanke Rippe aus dem Leibe; damit hat er so auf mich
losgeschlagen, daß ich beinahe tot liegen geblieben wäre." —
„Siehst du," sprach der Fuchs, „was du für ein Prahlhans
^ ^ ^ '' Brüder Grimm.
180. Der Rabe und der Fuchs.
Ein Nabe trug ein Stück vergiftetes Fleisch, das der erzürnte
Gärtner für die Katzen des Nachbars hingeworfen hatte, in
seinen Klauen fort. Eben wollte er es auf einer alten Eiche
verzehren, als ein Fuchs sich heranschlich und ihm zurief: „Sei
gegrüßt, du königlicher Vogel! Wie sehr freue ich mich, dich zu
sehen; denn an die Schönheit deiner Federn, an die Stärke
deines Schnabels reicht keiner deiner Mitbrüder. Billig dienen
dir daher alle übrigen Vögel. Siehe, Tage lang könnte ich hier
stehen, dich anschauen, dich bewundern, und doch dessen nicht satt
werden."
Der Rabe erstaunte und freute sich innig, für einen Adler-
gehalten zu werden. Ich muß, dachte er, den Fuchs für diese
Lobrede belohnen. Großmütig dumm ließ er ihm seinen Raub
fallen und flog stolz davon. Der Fuchs sing das Fleisch lachend
auf und verzehrte es mit boshafter Freude. Doch bald verkehrte
sich die Freude in Schmerz, das Gift sing an zu wirken und der
Fuchs verendete. —
Möchtet ihr euch nie etwas anderes als Gift erloben, ehrlose
Schmeichler! — Gotthold Ephraim Lessing.
190. Der Fuchs und der Kranich.
Ein Fuchs lud einen Kranich zur Mahlzeit ein. Als der
Kranich kam, da hatte der Fuchs in lauter flachen Schüsseln
allerhand Suppen aufgetragen und sagte zum Kranich, er möge
es sich gut schmecken lassen. Der Kranich aber konnte mit seinem
langen und dünnen Schnabel nichts davon genießen, imd mußte
es mit ansehen, wie der schadenfrohe Fuchs unterdessen mit Wohl-
behagen speiste.
Bald darauf lud der Kranich den Fuchs ein und setzte ihm
die schönsten Leckerbissen in Flaschen mit langem und engem
Halse vor und sagte, nun möchte er nur zulangen und thun,
als wenn er zuhause wäre. Der Kranich hielt seinen langen
Schnabel in die Flasche hinein und aß und trank nach Herzens-
lust. Der Fuchs hatte das Zusehen und ging zuletzt beschämt
davon. Nach Aesop.
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255
unzählige Vogelnester und drittens finden die Vogel bei uns
immer weniger Stätten, in denen sie ruhig und ungestört nisten
können.
Gegen den ersteren Ubelstand läßt sich wohl leider nichts
thun. Um so dringend notwendiger ist daher ein ernstlicher
Schutz der Vögel hier in ihrer Heimat. Wir müssen ein wach-
sames Auge aus die Buben haben, welche aus Langeweile und
Mutwillen nur zu viele Vogelnester zerstören. Der Handel
mit alten und jungen Singvögeln und sogar deren Eiern, wie
er in großen und auch kleinen Städten betrieben wird, fügt der
Landwirtschaft unermeßlichen Schaden zu. Dies verdammens-
würdige Geschäft muß gründlich ausgerottet werden.
Hiermit ist indessen noch lange nicht genug gethan. Wald-,
Feld- und Gartenbesitzer müssen die alten, hohlen Bäume scho-
nen, in denen die Höhlenbrüter (Meisen, Baumläufer, Stare,
Spechte u. a. m.) feste Zuflucht finden. Um den Höhlenbrütern
den großen Mangel an hohlen Bäumen zu ersetzen ^fertige man
Nistkästchen und befestige sie an den Bäumen, auf Stangen und
an den Gebäuden. Es ist eine so geringe und so lohnende Mühe,
dieselben anzubringen. Bald zieht dann das regste Leben hier
ein; Sperlinge, Meisen, Rotschwänzchen und besonders die
lieben, schwatzenden Stare bevölkern die Gegend. Es ist eine
liebliche und wohlthätige Naturanstalt gegründet, deren munteres
Leben das Herz jedes Naturfreundes mit Freude erfüllt — und
die weithin die ganze Flur gegen den Schaden der Kerbtiere
völlig sichert. Nach vr. Ruß.
301. Das Vogelnest.
„Nun sieh lieb' Schwesterchen, sieh nur hin: ein Nest, sechs
Vögelchen sitzen drin! Die Mutter, sie flattert so eben hinaus;
nun nehm' ich die Kleinen mit mir nachhaus'." — „Ach, lasse
du ruh'n die zwitschernde Brut; auch die Vöglein stehen in Gottes
Hut, und wie uns die Mutter zuhause bewacht, so nimmt auch
der Vogel die Kleinen in acht. Und die Englein, von denen uns
Mutter sprach, daß sie um uns schweben und bleiben wach bei
allem, was wir reden und thun, wenn wir spielen oder im Bett-
lein ruh'n, die Englein sprechen: Wir freuen mit euch uns auch
an den Vöglein im grünen Gesträuch; doch lasset sie still bei der
Mutter im Nest. Denn Gott, der alles gedeihen läßt, sorgt auch
für die Vöglein aufs allerbest'!" Löwenstein.
302. Die Zugvögel.
Die Störche ziehen im Herbste fort, weil sie im Winter
keine Eidechsen, Schlangen, Frösche u. s. w. bei uns finden
würden und also verhungern müßten. Der rauhe und unsreund-
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe]]
TM Hauptwörter (200): [T42: [Vogel Nest Junge Eier Schnabel Storch Taube Flügel Fuchs Frosch], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
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geschickt zur Wasserjagd und zur Rettung von Menschen, die
ins Wasser gefallen sind. Der Schäferhund hat aufrecht stehende
Ohren und steife Haare. Er lenkt die Herde nach dem Willen
seines Herrn, läuft auf und ab, wenn ein Kleestück oder sonst
ein verbotener Leckerbissen in der Nähe ist, oder liegt beobachtend
still, bis ein Tier die Grenze überschreitet, springt dann aber
schnell auf und jagt es zurück. In einigen Gegenden von Süd-
amerika haben die Schafe und Ziegen keine anderen Hirten als
die Hunde. Diese treiben am Morgen die Herden vom Hose,
führen sie auf die Weide, begleiten sie den ganzen Tag, vertei-
digen sie gegen jeden Angriff und bringen sie am Abend wieder
nachhause. ' ‘ ®llbe.
286. Die Katze.
Die Katze geht nicht auf den Fusssohlen, sondern auf
den Zehen; daher ist ihr Gang auch sehr leise, und ein
solch leiser, schleichender Gang ist zu ihrem Geschäfte sehr
nötig, denn die Mäuse haben eiu sehr feines Gehör.
Gleich den Hunden hat sie Krallen an den Zehen. Aber
wie künstlich sind diese Krallen eingerichtet! Am Ende
jeder Zehe ist eine Scheide, in welche die Kralle zurück-
gezogen werden kann. Wenn die Katze schläft, so stecken
alle Krallen in den Scheiden. Sobald sie aber eine Maus
fangen oder sich wehren will, so schiebt sie die Krallen
aus der Scheide, wie man einen Säbel auszieht. Auch ihre
Zähne und die Zunge, welche rauh ist, sind zum Mäuse-
fangen eingerichtet.
Weil die Mäuse gewöhnlich des Nachts aus ihren
Schlupfwinkeln hervorkommen, so sind die Augen der
Katzen so eingerichtet, dass sie auch bei Nacht sehen
können. Man braucht ihnen daher beim Fangen einer
Maus nicht zu leuchten; sie haben ihr Licht in den Augen.
Die Katzen miauen nicht bloss, sondern sie schreien
und heulen oft gar jämmerlich. Solcherlei Katzenmusik
führen sie am liebsten an ganz einsamen Orten, auf den
Böden und Dächern der Häuser auf. Dabei kratzen und
beifsen sie einander, dass die Haare davon fliegen.
Die Katze ist für uns ein notwendiges Haustier.
Hätten wir keine Katze, so würden die Mäuse und Ratten
bei Tag und Nacht alles zernagen und uns so beunruhigen,
dass wir weder ruhig essen noch schlafen könnten. Nun
sieht es zwar jedermann gern, wenn sie in ihrem Geschäft
recht eifrig sind; aber das sieht niemand gern, dass sie mit
den gefangenen Mäusen erst noch lange Zeit spielen, ehe
sie dieselben umbringen und auffressen. Sie lassen die ge-
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau]]
TM Hauptwörter (200): [T42: [Vogel Nest Junge Eier Schnabel Storch Taube Flügel Fuchs Frosch], T84: [Körper Kopf Tier Fuß Bein Insekt Eier Zahn Nahrung Haut], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau]]